In den USA lässt eine Krankheit bis zu 80 Prozent aller Bienenvölker verschwinden. Dies gefährdet bei vielen Nutzpflanzen die Ernte.
Schlechte Zeiten für Imker in den USA: Von Florida bis Kalifornien sterben viele Bienenvölker binnen weniger Tage. In den leeren Stöcken bleiben allenfalls die Königin zurück – zusammen mit ein paar jungen Arbeiterinnen. Je nach Region sind bis zu 80 Prozent der Völker betroffen.
Offenbar rafft eine mysteriöse Krankheit die Insekten dahin. Doch weil ihre Kadaver nirgends zu finden sind, haben Forscher keine Anhaltspunkte über die Ursache, den Verlauf und die Ausbreitung der Seuche. „Das Problem ist, dass sie wie aus heiterem Himmel zuschlägt“, sagt der Bienenkundler Jerry Bromenshank von der University of Montana in Missoula, der das Phänomen untersucht. Inzwischen sind 22 US-Staaten davon betroffen.
Bienenkundler Bromenshank vermutet jedoch, dass die Dürre, die im vergangenen Herbst in den südlichen USA herrschte, das Nahrungsangebot für die Honigbienen verringerte, was sie anfällig für Infektionen mit Viren oder Pilzen macht. Diesen Verdacht stützt er auf die Beobachtung, dass andere Bienen die verlassenen Stöcke mehrere Wochen lang meiden, bevor sie sich darin ansiedeln. Dies weise auf giftige Rückstände von Pilzen hin, die potentielle neue Bewohner der Stöcke abschrecken. Andere Forscher machen dagegen Pestizide oder Chemikalien zur Bekämpfung von Milben für das Bienensterben verantwortlich.
Ohne die Bienen werden manche Nutzpflanzen nicht ausreichend bestäubt. Deshalb, fürchten Experten, könne es bei betroffenen Früchten zu beträchtlichen Ernteausfällen kommen. So müssten um diese Jahreszeit die Mandelbäume bestäubt werden, bald darauf auch Apfelbäume und Blaubeeren.
Der Bienentod erscheint als neuerliches Symptom des Niedergangs von bestäubenden Tierarten, den Forscher weltweit beobachten. Dies kann die Ernährung der Menschen gefährden. Dies ergab eine internationale Studie, veröffentlicht Ende 2006 im Wissenschaftsjournal „Science“, die den Zusammenhang zwischen Bestäubern und Erträgen von Kulturpflanzen aus über 200 Ländern analysierte. „Ohne die Bestäubung der Pflanzen gäbe es weniger und eintönigere Nahrung“, erklärt die Göttinger Agrarökologin Alexandra-Maria Klein, eine Mitautorin der Studie.
Wie sich zeigte, brauchen 87 der 115 wichtigsten Obst-, Gemüse-, Gewürz- und Ölpflanzen Bienen, Hummeln und andere Insekten, aber auch andere Tiere wie Fledermäuse, zum Bestäuben. Insgesamt betrifft dies mehr als 35 Prozent der Produktion von Kulturpflanzen. Beispiele von Pflanzen, die ausschließlich durch Tierbestäubung Früchte tragen, sind Kakao, Maracuja, Kiwi, Vanille, verschiedene Kürbissorten, Wassermelonen sowie Para- und Macadamianüsse. Bei den meisten davon steigert die tierische Übertragung der Pollen die Erträge um bis zu 50 Prozent. Daneben bringen Arten wie Hochlandkaffee, Raps oder Erdbeeren, die sich notfalls auch selbst bestäuben könnten, dank der schwirrenden Pollenträger mehr und größere Früchte.
Durch die weltweite Intensivierung der Landwirtschaft werde den Insekten zunehmend die Lebensgrundlage entzogen. Dies hat teils drastische Konsequenzen. In Brasilien etwa zerstören der Einsatz von Insektiziden und die Vernichtung des Regenwaldes den Lebensraum der großen Holzbienen. Deshalb müssen die Bauern oder Tagelöhner die Maracujablüten selbst von Hand bestäuben. „Viele Menschen in den brasilianischen Städten können sich diese teuer angebauten Früchte ebenso wie Gemüse nicht leisten und ernähren sich vorwiegend von billigem Zucker, Fleisch und Ölen. Diese unausgewogene Ernährung führt oft zu Übergewicht“, moniert Alexandra-Maria Klein.
Überdies geht in vielen Regionen der Welt nicht nur die Imkerei zurück, sondern auch die natürliche Vielfalt von Bienen und der von ihnen bestäubten Blütenpflanzen. Deren Rückgang in den vergangenen 25 in einigen europäischen Ländern beschreibt das 2006 abgeschlossene EU-Forschungsprojekt „Alarm“. Danach sank in Großbritannien die Vielfalt an Bienen in fast 80 Prozent der Regionen. Viele Arten sind sogar ausgestorben. Den ökonomischen Wert der Bestäubung schätzen die Autoren weltweit auf jährlich 30 bis 60 Milliarden Euro.
Auch in Deutschlands ist die Imkerei in einer Krise: In manchen Regionen sind bis zu 80 Prozent der Bienenvölker vernichtet. Ursachen sind hauptsächlich eine spezielle Bakterieninfektion und eine „Killer-Milbe“ (die berüchtigte Varroa-Milbe). Allerdings hoffen die deutschen Obstbauern, die Verluste ausgleichen zu können – durch den Einsatz der Roten Mauerbiene, der häufigsten deutschen Wildbienenart. Sie ist gegenüber der anfälligen Honigbiene deutlich robuster; lebt jedoch solitär und bildet keine Völker. Feldversuche sind bereits angelaufen.
Glücklicherweise hängen Grundnahrungsmittel wie Weizen, Reis und Mais nicht von der Insekten-Bestäubung ab, diese Pflanzen werden durch Wind bestäubt. Dennoch wäre das Sterben der Bienenvölker nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch ökologisch ein großer Verlust. „Der Ausweg aus der Misere ist allein die Rückkehr zu naturnaher Gestaltung von Kultur- und Agrarlandschaften“, urteilt Teja Tscharntke, Leiter der Abteilung Agrarökologie an der Universität Göttingen. „Nur so lassen sich die für den Menschen wichtigen Dienstleistungen des Ökosystems, zu der auch die biologische Schädlingskontrolle gehört, nachhaltig sichern.“ In diesem Zusammenhang ist es unverständlich, daß die konventionelle Landwirtschaft weiterhin durch die EU mit Millionenbeträgen subventioniert wird während die Wachsatumsbranche Bio-Landwirtschaft mangels geeigneter Flächen und Förderung zunehmend in den Ostblock (z.B. Litauen) abwandert.